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China – Auf dem Weg zum neuen „kalten Krieg?“

Am 27. August hielt die neu gewählte Vorsitzende des Mid-Atlantic Club Bonn MDB Gisela Manderla vor Mitgliedern und Gästen einen Vortrag zum Thema: „China – Auf dem Weg zum neuen „ Kalten Krieg?“

 

Foto: MDB Gisela Manderla in Bonn

Vortrag von MDB Gisela Manderla beim MAC in Bonn

Um eine Vorstellung über die Bedeutung Chinas für die deutsche Außen- und Handelspolitik zu geben, wies die Referentin darauf hin, dass in 15 Regierungsjahren Bundeskanzlerin Angela Merkel zwölf Mal nach China gereist sei (Kanzler Kohl war in 16 Jahren nur fünf Mal dorthin gereist). 2019 war die Volksrepublik China zum vierten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner, nachdem China in dieser Rolle 2016 erstmals die USA überholt hat. Kernpunkt des Referats von Manderla war, dass der wirtschaftliche, politische und zunehmend militärische Aufstieg Chinas gegenwärtig zu den „wichtigsten Entwicklungen der Gegenwart“ gehört. Dies werde deutlich an drei Brennpunkten: 1.Der Diskussion in Deutschland und anderen Ländern um die Beteiligung des chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei am zukünftigen 5-G Netz; 2.dem Umgang Chinas mit der Lage in Hongkong und 3.dem Agieren Chinas im Zusammenhang mit der Corona- Pandemie. Angesichts eines immer schärfer werdenden Tons zwischen China und der westlichen Welt beobachte man, wie China die Grenzen der Eskalation zunehmend austeste.

 

Die USA hätten…auch andere Länder für dieses Thema sensibilisiert

Huawei werde von amerikanischen Fachleuten und Politikern vorgeworfen, dass es von der  Kommunistischen Partei kontrolliert wird. Die USA hätten, um eine Beteiligung Huaweis am Infrastrukturaufbau zu verhindern , „auch andere Länder für dieses Thema sensibilisiert“ und in vielen Ländern , die vor entsprechenden Entscheidungen und Investitionen stehen, eine breite Debatte ausgelöst, so Manderla. So habe Mitte Juli Großbritannien den Ausschluss von Huawei beim Aufbau eines 5-G Netzes in Großbritannien bekannt gegeben. Zahlreiche andere Länder folgten dieser Linie. Manderla betonte, im Auswärtigen Ausschuss werde über dieses Thema ausführlich und durchaus kontrovers diskutiert und wies darauf hin, dass die  Bundesnetzagentur Anfang August den aktuellen Entwurf des Sicherheitskataloges für ein deutsches 5-G Netz veröffentlicht habe. Über die  Frage der Vertrauenswürdigkeit des umstrittenen chinesischen Konzerns  berieten derzeit die zuständigen Bundesministerien. Angesichts der Tatsache, dass China seine Wirtschaft protegiere und die Vereinigten Staaten auf der anderen Seite versuchten, ihre Verbündeten gegen China in Stellung zu bringen, forderte Manderla den Aufbau einer „eigenen Europäischen Telekommunikationsstrategie.“

Manderla führte als weiteren Aspekt das im Juli in Kraft getretene Sicherheitsgesetz für Hongkong an, welches eine besorgniserregende Entwicklung in Gang gesetzt habe. Die EU habe klar gemacht, dass der Grundsatz „ein Staat, zwei Systeme“ auch weiterhin gelten müsse und für die deutsche Außenpolitik sei die Beibehaltung dieses Grundsatzes und die Gewährleistungen der Freiheiten und Rechte der Bürger Grundlage für Stabilität und Wohlstand in Hongkong. „Für uns ist der Umgang Chinas mit Hongkong grundsätzlich eine Frage der Glaubwürdigkeit chinesischer Zusicherungen.“

Kritisch was auch Manderlas Urteil über den Umgang Chinas mit der Corona –Pandemie. Vieles sei im Dunkeln geblieben, etwa die Frage, wann das Virus ausgebrochen sei und wann Peking erkannt habe, dass es sich um eine ernsthafte Gefahr handelt? Huawei, Hongkong und Corona sind laut Manderla „Symptome einer seit längerem schwelenden Vertrauenskrise.“

 

in anderen westlichen Ländern sinke das Vertrauen in China

Hinter diesen Beispielen stecke eine „grundsätzliche Neujustierung der chinesischen und infolgedessen auch der amerikanischen Außenpolitik.“ Doch auch in Europa und in anderen westlichen Ländern sinke das Vertrauen in China und das Ansehen der Volksrepublik. Diese Entwicklung gebe in der Tat Anlass zu der Befürchtung, dass wir bei weiterer Eskalation auf dem Weg in einen neuen kalten Krieg“ sind, warnte Manderla. Sie bezog sich auf eine Studie des Stockholmer Friedensinstituts SIPRI über Chinas Aufrüstung. Danach stellt „China mehr Rüstungsgüter her, als jedes andere Land der Welt, außer den USA.“ Um eine Präsenz auf den Weltmeeren möglich zu machen, stehe die chinesische Marine in den Mittelpunkt der militärischen Modernisierungsanstrengungen.

 

China sei mittlerweile zum größten Kreditgeber Afrikas geworden

Bemerkenswert ist für Manderla auch das große Interesse Chinas am afrikanischen Kontinent. So beobachte die Bundesrepublik eine Zunahme der Investitionstätigkeit der VR im Laufe der letzten Jahre in zentralen Wirtschaftssektoren vieler afrikanischer Länder. China sei mittlerweile „zum größten Kreditgeber Afrikas geworden.“ Dem begegne man durch verstärkte Zusammenarbeit Deutschlands mit afrikanischen Staaten und zum anderen durch eine Intensivierung des bilateralen Afrika-Politik Dialogs mit Peking.

 

Droht uns im Wettbewerb mit China eine neuer ‚kalter Krieg‘?

Angesichts dieser Entwicklungen stelle sich die Frage: “Droht uns im Wettbewerb mit China eine neuer ‚kalter Krieg‘?“ Bisher habe China systematisch seine eigenen, vor allem wirtschaftlichen Interessen verfolgt. Es sei nicht mehr die verlängerte Werkbank Europas, sondern das Land habe aufgeholt und gelernt. „‘Made in China 2025‘“ sei kein Schlagwort, „sondern ein strategischer Plan der chinesischer Regierung mit klaren wirtschaftspolitischen Zielen für die kommenden Jahrzehnte. (…) Daher ist zu erwarten, dass China seine geopolitischen Interessen ähnlich konsequent und zielstrebig verfolgt, wie es seine wirtschaftlichen Interessen in den vergangenen Jahren verfolgt hat und damit 600 Millionen Chinesen aus der Armut geholt hat.“

 

Die Bundesregierung hatte daher große Hoffnungen in den EU-China Gipfel gesetzt

Manderla plädierte dafür „wachsam zu sein“ und „vor allem weiter im engen Austausch mit China“ zu bleiben. „Die Bundesregierung hatte daher große Hoffnungen in den EU-China Gipfel gesetzt, der ursprünglich für September in Leipzig geplant war und nicht stattfinden konnte. Außenpolitisch sollte China einer der Schwerpunkte der derzeitigen deutschen Ratspräsidentschaft werden.

Auch ohne das „Worst Case“- Szenario einer Verschärfung der bestehenden Konflikte zwischen China und den USA bzw. dem Westen bis hin zu einem „kalten Krieg“ ist Europa aufgefordert, sich als geopolitischer Akteur auf der Weltbühne zu verstehen. Dafür müsse die EU außenpolitisch eine einheitliche Sprache sprechen, wie Bundeskanzlerin  Merkel kürzlich wieder bei einem Treffe mit Frankreichs Präsident Macron deutlich gemacht habe: „Europa ist nur dann stark, wenn es mit einer Stimme spricht.“

 

Viel hängt auch von dem Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen ab

„Wir haben es in der Hand, wie sich das Verhältnis des Westens mit China weiter entwickelt. Viel hängt auch von dem Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen ab. Setzt sich die teils erratische, weil mitunter auf die Launen einer Person, fokussierten Außenpolitik der USA fort oder kommen die Beziehungen zwischen den USA und China in ruhigeres Fahrwasser. Damit sich dieses geopolitische Duell zwischen den USA und China nicht weiter verschärft, ist das Verhalten der EU von so großer Bedeutung.“ Es wäre daher sehr wünschenswert, wenn der EU-China Gipfel baldmöglichst nachgeholt wird und die EU in ihrer China Politik eine einheitliche Haltung findet, mit der sie der Gefahr einer Konfrontation mit China etwas entgegensetzen kann. Dies geschehe zum Wohle der ganzen Menschheit, die im 20 Jahrhundert bereits einmal erleben musste, dass es in einem „kalten Krieg“ nur weniger Eskalationsstufen bedarf, um die Welt an den Rand des Abgrunds zu manövrieren. Das gilt es mit allem politischen, wirtschaftlichen und diplomatischem Geschick in den zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts zu verhindern.“

 

die strategischen Eckpunkte eines zukünftigen EU- China Dialogs definieren

Die sehr lebhafte Diskussion umfasste Fragen, welche die Sicherheit Taiwans betreffen und damit verbunden die Frage, wie sich die USA verhalten würde, wenn China Taiwan provoziere.  Andere Diskutanten wiesen darauf hin, dass die deutsche Autoindustrie technologisch nicht mithalten könne in 5 Jahren, angesichts der rapiden Entwicklung des chinesischen Autoindustrie, während ein anderer wiederum einwarf, Huawei habe bessere Produkte gebaut. Ein China Kenner warf ein, dass man nicht übersehen dürfe, dass sich China durch das Verhalten der Europäer „gedemütigt“ fühle. Eine gute Außenpolitik verlange, dass man sich in das Denken eines anderen Landes sensibel ein fühle.  Manderla machte am Schluss der Diskussion deutlich, dass die EU und die Bundesrepublik Deutschland, die zurzeit die EU- Ratspräsidentschaft innehat, die Gelegenheit nutzen sollten, um so bald wie möglich den ursprünglich für September dieses Jahres in Leipzig geplanten, dann aber wegen Corona verschobenen EU/ China Gipfel nachzuholen und die strategischen Eckpunkte eines zukünftigen EU- China Dialogs zu definieren.