Sonderbeitrag

Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik bei MAC Bonn:

Über die Zukunft der NATO und Deutschlands Rolle sprach am 10. Juli auf Einladung vom Bonner Mid Atlantic Club (MAC) der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Dr. Karl- Heinz Kamp.

Foto Dr. Karl-Heinz Kamp und Friedhelm Ost bei MAC Bonn

Dr. Karl-Heinz Kamp und Friedhelm Ost bei MAC Bonn im Juli 2019

Das Thema Die Zukunft der Nato und Deutschlands Rolle im Bündnis gewinne angesichts der vielen Krisen (Syrien/ Iran usw.), wie Staatssekretär Friedhelm Ost, Vorsitzender von MAC hervorhob, an Bedeutung. Der Präsident der Bundessicherheitsakademie Dr. Kamp, der viele Jahre am NATO Defense College in Rom tätig war und seit 2015 Präsident der Bundessicherheits-Akademie in Berlin ist, entwarf ein weitgefächertes, dennoch pointiertes Bild über die Gemengelage der gegenwärtigen Krisen:

 

Dasselbe trifft für das BIP Russlands zu, das im Vergleich zu einem Land wie Italien ein geringeres Bruttoinlandsprodukt habe

Wenn man, so Kamp, über die Zukunft der NATO sprechen wolle, müsse man Russlands Verteidigungshaushalt im Auge haben. (Laut IISS gaben 2018 die USA 643 Milliarden Dollar aus; China 168 Milliarden und Russland 63 Milliarden US Dollar aus Die Zeit 15.Februar 2019 EH). Dieser sei eigentlich sehr klein. Dasselbe trifft für das BIP Russlands zu, das – wie Kamp betonte – im Vergleich zu einem Land wie Italien ein geringeres Bruttoinlandsprodukt habe (ca.1, 63 Billionen US Dollar [2018], das italienische BIP ca. 2,07 Billionen US Dollar [2018] EH). Das eigentliche gegenwärtige Problem, betonte Kamp, sei daher „transatlantischer Natur“ bei einer sich zugleich verändernden „Großmächtekonstellation“ mit entsprechenden Implikationen für die NATO.

Für Kamp entscheidend ist gegenwärtig das strategische Gewicht der Großmächte: USA, Russland, EU und China und das sich verändernde Gleichgewicht der 4 Großmächte zueinander.

1. Russland habe, wie der Referent ausführte, „Großmachtambitionen.“ Als Folge der Annexion der Krim und der Ereignisse in der Ukraine sei es zu einer „geopolitischen Zäsur“ gekommen, welche die europäische Sicherheit dauerhaft zerstört und wiederum Russland geschadet habe. Kamp verglich Russland mit einem Boxer in der zweiten Gewichtsklasse, der „zu hoch boxe“. Er verwies im Besonderen auf Russlands schlechte Finanz- und Wirtschaftslage. Die vom Westen auferlegten Sanktionen hätten drei Jahrzehnte Modernisierung zerstört. Russland biete Europa Öl, Gas und Waffen an, was jedoch kein Zukunftsmodell sei. Kamp bezeichnete das Land als “Koloss auf tönernen Füßen“- eine „Macht im Niedergang“, das im Rahmen des UNO Sicherheitsrates zwar ein wichtiges Land bleibe, aber weltpolitisch immer weniger agieren könne. Russland sei stark in Syrien, weil sich die USA zurückziehen, so Kamp.

2. In Bonn sprach Kamp außerdem über China als einer „aufstrebenden Macht“, welche über sehr viel Kapital für innovative Investitionen verfüge. China wolle „die weltpolitischen Rahmenbedingungen zu seinen Gunsten gestalten.“

3. Die USA bezeichnete Kamp militärisch/ politisch und wirtschaftlich als „Supermacht“ mit einer Marine, welche größer sei als die von 13 folgenden Nato- Ländern zusammen genommen. Zugleich merkte er an, dass der amerikanische Präsident die Europäer erpressen könne. Für Europa sei Trump „schwierig.“ „Er hasst Bündnisse“ und ist nicht sehr positiv gegenüber Deutschland eingestellt. Die Trump Administration bringe andererseits dramatisch mehr Leistungen innerhalb der NATO ein.

4. Die EU ist gemäß Kamp „wirtschaftlich bedeutend, aber politisch ein Zwerg.“ Bundeskanzlerin Merkel habe einmal davon gesprochen, dass es gelte, das Schicksal „in unsere eigenen Hände (zu) nehmen.“ Die Ende 2017 ins Leben gerufene Pesco- die „ständige strukturierte Zusammenarbeit“ - bezeichnete Kamp als einen „Meilenstein auf dem Weg zu europäischen Verteidigungsunion und Motor europäischer Rüstungsentwicklung. Sicherheitspolitisch, so Kamp, bewege sich Europa jedoch nur sehr langsam. Daneben gelte es auch, die wirtschaftliche Krise in der EU zu betrachten. So werde der fehlende „Konsens“ demonstriert am Beispiel der Debatte über das Projekt „Nord Stream 2“ und die Migrationspolitik.

 

Verteidigungspolitisch habe China einen Status als Peer gegenüber den USA

Nach Einschätzung des Referenten werde Russland weiter absteigen; es werde aggressiver, während China weiter wachsen werde. Verteidigungspolitisch habe China einen Status als Peer gegenüber den USA. Wenn die Straße von Malakka gesperrt würde, könnte Artikel 5 (NATO) durch einen Vorfall im pazifisch/ asiatischen Raum ausgelöst werden. Dasselbe sei der Fall, wenn z.B. Kim Jong Un eine Rakete abfeuere. Kamp entwarf ein NATO Szenario, das in den nächsten 15 Jahren denkbar sein könnte, im Sinne einer Anpassung an die sich herausschälende Großmächtekonstellation. Nach 1989 gab es vornehmlich ein NATO „Krisenmanagement“ gefolgt von einer Anpassung an die Terrorismusgefahr ab 2001; 2014 kam es in Reaktion auf die Ukrainekrise erneut zu einer Anpassung innerhalb der NATO. Die USA stünde hinter der NATO, weil „Russland eine Bedrohung für Europa darstellt“, es wolle daher die NATO stärken.

 

Amerika selbst werde nicht mehr so präsent sein im pazifischen Raum

Russland dagegen, so Kamp, verliere an Bedeutung und werde aber als eine Gefahr von einigen osteuropäischen Ländern angesehen. Chinas Bedeutung nehme weiter zu. In den nächsten 10 Jahren würden wir mit einem chinesisch / amerikanischen Bilateralismus konfrontiert. Amerika selbst werde nicht mehr so präsent sein im pazifischen Raum. Dies habe Implikationen für die NATO: Wenn Russland sich im Niedergang befinde, werde die NATO in der Folge weniger wichtig. Die USA könnten z.B. sehr viel mehr bilaterale Kampfbataillone nach Osteuropa schicken. Das bedeute aber wiederum, dass sich die NATO schwerpunktmäßig in Richtung Asien orientieren müsse. Man solle daher die Entwicklung im asiatisch/ pazifischen Raum im Blick haben. Die NATO könnte dort z.B. Verbindungsbüros aufbauen. Die USA würden fordern, z.B. eine standing naval force im Pazifik aufzubauen. Ebenso müssten 2% der NATO Rüstungsausgaben gemacht werden.

 

Einwände gab es auch bezüglich des deutsch-russischen Projekts Nord Stream 2

In der sehr lebhaften und teils kontroversen Diskussion wurde u.a. auf die Bedeutung von PESCO hingewiesen und die Notwendigkeit, nicht erpressbar zu werden von Seiten der USA. Einwände gab es auch bezüglich des deutsch-russischen Projekts Nord Stream 2, das wie einige Diskutanten anmerkten, sehr stark im deutschen Interesse und im Vergleich zu den von den USA angebotenen LNG Lieferungen sehr viel günstiger sei. Bei LNG hätte man es mit einem 50% höheren Preis zu tun. Russland bleibe weiterhin, so die Auffassung einiger Teilnehmer, als strategischer Faktor zur Lösung des JPCOA Vertrags wichtig, was auch im Interesse der deutschen und explizit der französischen Regierung sei. Präsident Macron habe kürzlich, wie ein Diskutant anmerkte, in einem Interview auf die Notwendigkeit eines strategischen Dialogs mit Russland hingewiesen. Kamp merkte an, dass Russland im Rahmen der UNO ein wichtiger Faktor sei, zur Lösung der Krise in der Ukraine, Iran und Syrien beizutragen. Für Deutschland sei eine funktionsfähige NATO wichtig neben der der Notwendigkeit des strategischen Dialogs mit China und Russland.

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