Sonderbeitrag

Skizzen zur politischen Lage im Herbst 2019

Der Mid Atlantic Club Bonn hatte als Redner Axel Voss, stellvertretender Vorsitzender des MAC und Abgeordneter des Europaparlaments, gewinnen können zu dem Thema Perspektiven zur Lage der transatlantischen Beziehungen Rede und Antwort zu stehen. (Der ebenfalls eingeladene Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit MdB Peter Beyer war leider verhindert.)

Foto: Axel Voss beim MAC Bonn Summer Lunch

Axel Voss beim MAC Bonn Summer Lunch im August 2019

Der ehemalige Staatssekretär Friedhelm Ost sprach zu Beginn des diesjährigen Sommerlunchs (25.08.19) von „atmosphärischen Tiefausläufern in der Weltpolitik und Wirtschaft“, die die transatlantischen Beziehungen heftig belasten. Er verwies u.a. auf die von Trump verkündeten Zölle auf französische Weine und Trumps Mahnung an Deutschland, mehr für die NATO auszugeben. Bis 2025 habe die CDU Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben bis zu 1,8% zugesagt. Desgleichen kritisiere man von amerikanischer Seite das deutsch- russische Nord Stream II Gaslieferungsprojekt (wie jüngst erneut von Vizepräsident Mike Pence in Polen bekräftigt wurde E.H.). Auch China gegenüber habe Präsident Trump neue Strafzölle (in der Höhe von 125 Milliarden Dollar auf Konsumgüter) verhängt.

 

Die Vernünftigen in Europa hätten begriffen: Die Zeit der Nationalstaaten sei vorbei

Das Verhältnis Europas zu Russland bleibe weiterhin schwierig. Was Großbritannien anbetrifft, wisse keiner, wie es mit Brexit weitergehen soll. Die EU verfüge über keine substantielle Handlungsfähigkeit und sei mit starken Problemen im Inneren konfrontiert - wie das Beispiel Ungarn, Polen oder Italien zeige. Die Vernünftigen in Europa hätten begriffen: Die Zeit der Nationalstaaten sei vorbei. Dem europäischen Kontinent gegenüber stehe China mit 1,4 Milliarden Menschen, während hier die Bevölkerung schrumpfe. Merkel habe angesichts der Störmanöver seitens der USA gesagt: “Wir können uns auf die USA nicht verlassen. Wir müssen uns auf den wichtigsten Felder der Wirtschaft neu orientieren.“ Dazu gehöre Digitalisierung der EU und Intensivierung der inneren gemeinsamen Entwicklung. Bei der herzlichen Begrüßung von Axel Voss wies Ost darauf hin, dass am selben Tag in der FAS ein durchaus sehr anerkennender Artikel über den mutigen Besuch von Voss bei der Gamescom in Köln erschienen sei. (Zu Gast bei Feinden- Der EU-Abgeordnete Axel Voss ist die Hassfigur der Youtuber und Gamer. Mit der Reform des Urheberrechts hat er die Szene gegen sich aufgebracht. Sein Besuch auf der Spielemesse Gamescom lief dann aber anders als erwartet. FAS 24.8.19)


Europaabgeordneter Axel Voss: Epochale Wende

Im Kontext zunehmender Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und Europa empfinde man aufgrund wachsender Spannungen im transatlantischen Verhältnis, dass derzeit eine „epochale Wende“ stattfinde, stellte Voss zu Beginn seiner Bemerkungen fest. Natürlich gebe es gemeinsame Interessen und Werte. Aber wie Staatssekretär Ost richtig hingewiesen habe, hätten wir es mit einem sprunghaften Verhalten (seitens der US Regierung) zu tun. Es sei keine „einheitliche westliche Welt“, die sich uns heute darbietet. Diese lassen Zweifel am transatlantischen Verhältnis aufkommen und man müsse sich fragen: „Haben wir tatsächlich noch gemeinsame Interessen in einer Welt, die zunehmend von Epidemien, Terrorismus, Massenvernichtungswaffen und Cyberkrieg geprägt ist?“ Es gebe eine Liste von Themen, bei denen wir nicht (mit den USA) übereinstimmen, z.B. das Energieprojekt Nord Stream II. Wenn dieses Projekt, das schon sehr weit gediehen ist, gestoppt würde, hätte dies erhebliche Konsequenzen (für Deutschland und die EU).

Das andere von Axel Voss genannte Beispiel sei Brexit. Während die USA Boris Johnson stützten, stelle sich die Frage, ob wir noch Grund haben, den Brexit –die Frist dafür- zu verlängern? Vielleicht habe Präsident Macron am Ende doch recht, als er davon sprach, dass sich Großbritannien entscheiden müsse. Hinzu kämen die Themen Umwelt und Klimawandel, die junge Menschen auf die Straße bringen; die Frage nach der Unabhängigkeit der Zentralbank, die fraglich geworden sei.

 

Der US Präsident sei an einer stabilen, globalen Wirtschaftsentwicklung nicht interessiert

Der INF Vertrag sei durch die USA aufgekündigt worden, ohne gemeinsame Interessen mit Europa zu berücksichtigen. Hinzu komme der von Trump anmutende schizophrene Umgang mit Kim Jong-un (Nordkorea). Der US Präsident sei an einer stabilen, globalen Wirtschaftsentwicklung nicht interessiert. Er erlasse weiterhin Strafzölle gegen China wie auch gegen Europa. NATO insistiere auf der Einhaltung von 2% BIP Ausgaben für die NATO bis 2025, während Trump kein vernünftiges Konzept für Europa anzubieten habe. Gemeinsames Vorgehen bedarf jedoch auch gemeinsamer Willensanstrengungen. Außerdem gebe es Anzeichen für eine Russland/ China Allianz, die wir nicht gutheißen könnten, denn diese wolle die EU schwächen.

„Wir befinden uns in einem Epochenwandel“, erklärte Voss. Der Druck sei so groß, dass wir unbedingt handeln müssten. Europe weise einen 50% Anteil an der Weltproduktion auf; davon gingen 60% nach Europa. In den nächsten 5 Jahren müsse es Weichenstellungen geben, sonst seien wir nur „Zaungast“ der um uns stattfindenden Entwicklungen. Dies betreffe auch das Thema Urheberrecht, wo nur einige wenige Tech Firmen bestimmten, wo es lang geht. „Wir müssen die europäischen IT-Firmen zu viel mehr drängen. Entweder wir haben eine Eurosklerose oder Eurodynamik.“


Ist die Zeit der National-Staaten vorbei?

In der Diskussion merkte ein Teilnehmer an, dass er nicht sicher sei, ob die Zeit der Nationalstaaten vorbei sei, die EU habe auch keine Antwort. Voss wiederum: „Ohne Deutschland gebe es kein Europäisches Digitalpapier. Was die Europäische Union anbelange, so brauchten wir Großprojekte, ständen uns aber teils im Wege. „Wir brauchen Verständnis (über die globale Lage) und Zusammenarbeit.“ Ein Diskutant fragte, warum kein Weiterkommen beim JCPOA Vertrag zu verzeichnen sei. Ein anderer stellte die Frage nach der deutsch/ französischen Zusammenarbeit; wir täten immer so, als zögen wir an einem Strang. Voss: „Es kostet Zeit und Nerven. Man muss für seine Interessen hart arbeiten.“ Ost dazu: „Die Achse Berlin- Paris muss funktionieren“, aber oft habe man auch gesehen, dass Paris bei der Umsetzung diverser Projekte 5 Jahre hinterher war. Ein anderer stellte die Frage, dass 95% der EU funktioniere, aber 50% der Bevölkerung denke, dass man EU Strukturen verändern soll.

Staatssekretär Ost: „Der Frieden fällt nicht vom Himmel. Die Europäische Gemeinschaft hat sich stets weiterentwickelt.“ Daran gelte es weiterzuarbeiten.

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