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Die Flüchtlings- Frage, TTIP und die Krise der EU

Am 9.Oktober fand im Bonner Mid Atlantic Club eine Veranstaltung mit dem bekannten EU -Politiker und ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten, David McAllister, statt. Der Referent sprach  über das Thema „Die  EU und die transatlantischen Beziehungen.“

Foto: David James McAllister

David James McAllister

Der Vorsitzende des MAC, Staatssekretär Dr. Friedhelm Ost  hatte in der Einleitung zum Vortrag  McAllisters auf die Bedeutung der jüngsten Reise von Bundespräsident Gauck hingewiesen, der als erster deutscher Präsident nach 18 Jahren die USA (…) besucht hatte.  Die  deutsch –amerikanische Freundschaft wurde von  Gauck als ein bleibendes „essenzielles Bündnis unserer Tage“  bewertet. Dabei seien die  „unveräußerlichen Menschenrechte, der Schutz der Menschenwürde und die Freiheit des Einzelnen“ wichtiger Bestandteil der westlichen Wertegemeinschaft. Der Bundespräsident hatte sich jedoch auch beunruhigt über das Amerikabild gezeigt, das sich in Deutschland und Europa entwickelt. Die „Datensammlung und die Abhörtätigkeit der National Security Agency“ so Gauck, trügen dazu bei, dass die Bundesbürger den Vereinigten Staaten weniger vertrauten. Auf Ablehnung bei den Bundesbürgern stoße auch das  Recht auf Waffenbesitz, die Todesstrafe und  die Toleranz gegenüber extremer Armut und Einkommensdifferenz, Teile der  Sicherheitsgesetze, die Verhörpraktiken und Guantanamo.  Aber auch über manche militärische Intervention in der Vergangenheit, habe es in Deutschland kontroverse Debatten gewesen.

 

TTIP und Migrationskrise als große transatlantische Herausforderung


Man sollte die  Rede und die anschließende Diskussion mit David McAllister auf dem Hintergrund der von Gauck vorgebrachten Äußerungen während seiner Reise in den USA  betrachten. Der 1971 in Berlin geborene McAllister (er hat auch die britische Staatsbürgerschaft)  war von 2010-2013 Ministerpräsident in Niedersachsen. Derzeit ist er in Brüssel stellvertretender Vorsitzender der EVP und leitet die EU Beitrittsverhandlungen mit Serbien/ Kosovo. Zugleich ist er Vorsitzender des Ausschusses für die  EU/US Beziehungen.

Wie McAllister darlegte, reichen die EU /USA Beziehungen zurück bis in das Jahr 1961, als die USA erstmals eine eigene Vertretung in Brüssel erhielt. 1990 wurden erstmals förmlich Kontakte zwischen den USA und der damaligen Europäischen Gemeinschaft geschlossen, welche sich der Pflege gemeinsamer Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik,  neben Handelsfragen zuwandten. Seit 2005 treffen sich US Kongressabgeordnete regelmäßig zum Meinungsaustausch mit EU Parlamentariern und zweimal im Jahr findet ein sogenannter  transatlantischer „Legislator dialogue“ für die etwa 58 Mitglieder der US Delegation statt, um aktuelle Themen zu erörtern.

Im Juli 2013 begannen offiziell die Verhandlungen für das US /EU Freihandelsabkommen, das „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP)  Abkommen, das nach wie vor sehr kontrovers unter den Bundesbürgern diskutiert wird. So fand in Berlin eine Gegendemonstration mit mehr als 150.000 Teilnehmern am 11.10. statt. McAllister sprach in seiner Rede von einem sehr „schmalen  Zeitfenster“, welches bleibe, um die noch offenen essenziellen Fragen bezüglich TTIP abzuklären und eine solide Grundlage für den Vertragsabschluss zu bereiten. Seiner Einschätzung gemäß wolle jedoch weder  US Präsident Obama seinen Wahlkampf 2016 mit der TTIP Problematik belasten, noch sieht er die realistische Wahrscheinlichkeit, dass Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Hollande während der  im Jahr 2017 stattfindenden Wahlkämpfe TTIP zum Diskussionsthema zu erheben.

 

sollte Großbritanien die EU tatsächlich verlassen, so hätte dies Auswirkungen auf Europa und das transatlantische Projekt


Neben der sehr kontrovers geführten Debatte über TTIP—Datenschutz, Investorenschutz, EUGH Urteil, wies McAllister auch auf die Debatte in Großbritannien über einen möglichen „Brexit“ hin. Er warnte, dass gegenwärtig die Stimmung in Großbritannien „kippe“. Wenn am kommenden Montag ein Referendum über den Verbleib von GB in der EU stattfinden würde, so McAllister, dann wäre der Ausgang des Referendums „negativ“ und sollte nach der Ende 2016 stattfindenden Wahl und dem Referendum Großbritanien die EU tatsächlich verlassen, so hätte dies Auswirkungen auf Europa und das transatlantische Projekt.

Ursachen für Probleme innerhalb der EU

Eine wirkliche Sprengkraft für die EU und die Frage nach ihrer Zukunft hat jedoch die Flüchtlingsproblematik. McAllister merkte in seinem Vortrag und in der Diskussion an, dass unter den 28 Mitgliedsländern der EU bedauerlicherweise keine Einmütigkeit in der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen bestehe und die deutsche Migrationspolitik insbesondere in Osteuropa (wo inzwischen Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Polen eigene Maßnahmen zur Sicherung der Grenzen ergriffen haben E.H.) auf kein großes Verständnis stoße. Gleichermaßen spiele in Osteuropa  auch das Thema TTIP keine wirkliche Rolle.

 

wir nicht der Versuchung erliegen dürften, „in nationalstaatliches Handeln zurückzufallen, ganz im Gegenteil.“

Er nahm Bezug auf die Rede von Bundeskanzlerin Merkel in Straßburg (8.10.) vor der EVP Fraktion, wo diese von einer „internationalen Krise“ gesprochen hatte, welche „internationale Antworten“ notwendig mache. Während ihrer Rede hatte die Bundeskanzlerin erklärt, dass die Krise nur gemeinsam zu meistern sei und wir nicht der Versuchung erliegen dürften, „in nationalstaatliches Handeln zurückzufallen, ganz im Gegenteil.“ Besonders frustriert zeigte sich die Bundeskanzlerin über die Haltung der Osteuropäer in der Flüchtlingsfrage. Die Verweigerungshaltung mancher Osteuropäer, Flüchtlinge aufzunehmen, oder gar die Äußerung, man wolle keine Muslime aufnehmen, habe Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Europäer.

Nach Auffassung McAllisters werde die „internationale Staatengemeinschaft“  bei der Lösung der Flüchtlingsfrage zu wenig aktiv. Weder von Seiten der Asiaten, der Araber, weder von Katar, Oman noch von den Russen und Amerikanern zeige sich eine Bereitschaft, aktiv zu helfen. Zuviel werden zu Lasten Europas, vor allem zu Lasten Deutschlands abgeschoben Er selbst trete für ein „grenzenloses Europa“ ein, aber dies werde nur funktionieren, wenn auch die  „Grenzen funktionierten.“ Wenn die EU eine Lösung wolle, müsse man auch mit Griechenland reden. Schengen sei de facto außer Kraft gesetzt, Frontex, nur ein Papiertiger, das jedoch mit Leben erfüllt werden müsse;  des Weiteren bedürfe es öffentlicher Registrierungszenten und eines Systems innerhalb der EU zur Verteilung der Flüchtlinge.

Strategische Ursachen der Flüchtlingskrise

Bei der Frage nach den Ursachen der gegenwärtigen Flüchtlingskrise wurde die Sprache einiger Diskutanten sehr deutlich: So meinte ein Diskutant, dass die USA, die durch den Krieg im Irak und ihre Beteiligung an weiteren Kriegen danach die Lage im Nahen Osten destabilisiert und „failed states“ hervorgebracht hätten,  aus denen derzeit Millionen Menschen fliehen. Die USA müsse als Verursacher der Kriege viel mehr tun, um bei der Eindämmung der Krise und bei der Bekämpfung der Schleuserbanden auch mit ihrer 6 Flotte zu helfen.

Ein anderer strategisch erfahrener Beobachter, stellte -an die Adresse von Brüssel und Berlin, und an die Bundeskanzlerin gewandt- die Frage, ob man sich bewusst sei über die tatsächlichen Konsequenzen des gegenwärtigen Handelns? Während in diesem Jahr 1 Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen seien, würden es im nächsten und darauffolgenden Jahr bis zu 5 Millionen Flüchtlinge sein- eine Lage, die politisch, strategisch und sozial völlig außer Kontrolle geraten würde. Als Ursache der gegenwärtigen Krise wertete der Beobachter „unsere (d.h. die deutsche und EU Politik)  gegenüber Russland, welche ihre fatalen Folgen zeige im Nahen Osten (Beispiel Syrien /Russland). „Unsere Haltung in der Ukraine und Krim Krise, unsere sehr harten Sanktionen“, so die Anmerkung des Strategen, „haben in Moskau Reaktionen hervorgerufen. Wir dürfen die Russen  nicht für so naiv halten. Was sie jetzt tun, sie üben Revanche. Es ist eine Gegenbewegung – das betrifft sowohl Teile des russischen Militärs und der russischen politischen Elite-, welche weiter gehen wird,  solange wir die Sanktionen und unsere Ukrainepolitik aufrechterhalten.“

 

dass man von den Amerikanern in der Ukrainefrage „nicht wahrheitsgemäß informiert werde“?

Ein weiterer Diskutant, der seit vielen Jahren als Militärberater tätig ist und Osteuropa gut kennt, wollte wissen, ob man sich in Brüssel oder Straßburg die Frage stelle, dass man von den Amerikanern in der Ukrainefrage „nicht wahrheitsgemäß informiert werde“? Er wies auf den Abschuss der Malaysia Airline im Juni 2014 hin und den am 13. Oktober 2015 veröffentlichten Bericht der niederländischen Untersuchungskommission, welche zu der Feststellung kam, dass eine Rakete vom Typ BUK zum Absturz der Maschine geführt hätte, dass jedoch derzeit keine klare Schuldzuweisung erfolgen könne. Der Diskutant äußerte sich verwundert darüber, dass die USA bis heute kein Satellitenmaterial öffentlich gemacht habe, um die Ursache des Absturzes zu klären und Beweise zu liefern. Man solle sich daran erinnern, dass es der Abschuss der Malaysia Airline war, der dazu führte, dass verschärfte Sanktionen gegen Russland verhängt wurden, mit sehr negativen Konsequenzen.

McAllister räumte ein, dass in der Ukraine -Krise Brüssel abwesend gewesen sei und er verwies erneut auf die uneinheitliche Position  innerhalb der EU. Er sprach von einigen osteuropäischen Ländern, die besonders „scharfmacherisch“ aufträten.  Bezüglich der Flüchtlingskrise und einer Lösung derselben, wies er der Türkei eine Schlüsselrolle zu, was die Bundesrepublik sowohl finanziell als auch politisch teuer bezahlen werden müsse.