Sonderbeitrag

Aspekte zur aktuellen Lage in Russland

Beim diesjährigen traditionellen Sommer-Lunch des Mid-Atlantic-Club (MAC) Bonn Ende August sprach der langjährige Leiter des DAAD (Deutscher Akademischer Auslandsdienst) in Moskau Dr.Berghorn zu dem Thema „Aspekte zur aktuellen Lage in Russland.“ 

Foto Dr Gregor Berghorn, MAC Bonn

Dr Gregor Berghorn beim Mittagsgespräch, MAC Bonn

Berghorns profunde Kenntnisse der Entwicklung Russlands und der ehemaligen Sowjetunion machten Aspekte deutlich, die im gegenwärtig äußerst schwierigen Verhältnis zu Russland aufhorchen lassen. Berghorns wissenschaftliche und langjährige berufliche Karriere haben seinen Blick, im Gegensatz zu vielen, die über Russlands Politik eine feste Meinung zu haben scheinen, für das „Dilemma mit Russland“  geschärft und vertieft.

Von 1992-98 wirkte Berghorn maßgeblich an dem Aufbau des DAAD Büros in Moskau, mit Zuständigkeiten für Ukraine, Weißrussland, Aserbeidschan, Armenien, Georgien und Moldau. In den vergangenen sechs Jahren war er neben der Leitung des DAAD Büros in Moskau auch  als wissenschaftlicher Leiter des „Deutschen Hauses für Wissenschaft und Innovation (DWIH) tätig.  Über die klassische DAAD Tätigkeit (Stipendienarbeit, Deutsche Sprache, Alumniarbeit, Beratung und Projektbetreuung in Bonn bzw. Moskau hinaus, hat Dr. Berghorn tatkräftig an der Etablierung des „Zentrums für den Deutsch- Russischen Literatur- und Kulturvergleich“ an der russischen „Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften“ in Moskau,  an der Gründung der Deutsch- Russischen Universität (German-Russian Institute for Advanced Technologies) in Kasan und dem Aufbau und Vermitteln eines Praktikanten-programms für Studierende deutscher Hochschulen an deutsche Unternehmen in Russland, in Verbindung mit der AHK (Außenhandelskammer) in Moskau und der „Higher School of  Economics“, mitgewirkt. Im Zuge der von Präsident Putin geförderten umfassenden Grunderneuerung russischer Hochschulen war es Dr. Berghorn in diesem Zeitraum möglich, von deutscher und russischer Seite gemeinsam finanzierte Stipendienprogramme zu initiieren, mit dem Russischen Bildungs- und Wissenschaftsministerium , der Republik Tatarstan und großen führenden Universitäten Russlands als Partnern. Im Rahmen seiner fast 15-jährigen  Auslandstätigkeit  besuchte Dr. Berghorn ca. 250 Hochschulen in allen Nachfolgestaaten der UdSSR, überwiegend in Russland. Gegenwärtig ist Berghorn im Deutsch-Russischen Forum e.V. und im „Petersburger Dialog“ in der Arbeitsgruppe „Bildung und Wissenschaft“ engagiert.

 

Das Dilemma mit Russland

Im Mittelpunkt seiner Analyse stand die Reflexion über einige Aspekte der aktuellen Lage in Russland, welche ab 2012/2013 , mit Beginn der dritten Amtszeit von Putin als Präsident der Russischen Föderation, zu einer „neuen Ära“ geführt hat, in der das  Land zunehmend als schwer erfassbar und begreifbar erscheint. Die Ausführungen des Referenten machten das  „Dilemma“ deutlich, in dem sich Russland aktuell befindet. Zugleich ist aber auch für jeden aufmerksamen Zuhörer klar, wie es der ehemalige Staatssekretär Friedhelm Ost am Schluss der Veranstaltung nochmals deutlich machte, wie wichtig es ist, trotz aller Schwierigkeiten mit „Russland im Gespräch zu bleiben“, angesichts der Rolle, die das Land  in der Weltpolitik spielt.

Seiner Analyse stellte der Referent einen Vers des russischen Diplomaten und Dichters Fedor Tjutschew (1803 -1873) voran, „Russland  ergründet kein Verstand, kein Maß kann sein Geheimnis rauben. Denn unvergleichbar ist dies Land- an Russland kann man nur glauben.“ (Über  20 Jahre lang war Tjutschew russischer Gesandter in München, befreundet mit dem deutschen Dichter Heinrich Heine und Übersetzer von Gedichten J.W. Goethes und Friedrich Schillers. Anmerkung E.H.)

 

erratischen Resten einer alten UdSSR und einem neuen, weniger berechenbaren Russland

Was wir derzeit in Russland erlebten, so Berghorn, sei eine Mischung aus „erratischen Resten einer alten UdSSR und einem neuen, weniger berechenbaren Russland.“ Spätestens seit 2013, seit Putin zum dritten Mal Präsident wurde, sei es schwieriger geworden, das Land zu erfassen. In der SU gab es viel Betonung auf Bildung, Technik, Wissenschaft mit geschulten Denkern, die berechenbar waren. In Bezug auf Russland habe Volodin, einer der engsten und loyalsten Berater Putins und Leiter der Präsidialamtes, 2014 treffend formuliert: „Solange es Putin gibt, gibt es auch Russland. Ohne Putin- kein Russland.“

Auf dem Hintergrund eines detaillierten Einblicks in Putins Lebenslauf ( geboren 1952 als 3. Kind einer Leningrader Arbeiterfamilie – der Vater hatte die Leningrader Belagerung durch die Nazis überlebt-  begann Putin ein Jurastudium bei Prof. Anatolij Sobtschak, späterer OB von Leningrad; Eintritt in den KGB mit Aufgaben u.a. in Dresden;  später Assistent bei dem Leningrader Bürgermeister A. Sobtschak; ab 1998 Chef des neuen FSB, 1999 Minister-Präsident und  März 2000 Wahl zum Präsidenten der Russischen Föderation),  sei „Putin durchaus repräsentativ für einen Teil der Generation , die nach dem Krieg geboren wurde und ein positives Bild der Sowjetunion gewonnen habe.“ Aufgewachsen im Zeitalter der Astronauten, durchlebte er den Zerfall der SU und damit einhergehend den Verlust des weltweiten Respekts. Dies sei zum „ Stimulus“ geworden, die Macht und den Respekt der SU wiederzugewinnen.

 

Putin sei der erste Repräsentant seines Landes, der weder eine Parteischule besucht, noch besondere ideologische Schulungen durchlaufen habe

Putin sei der erste Repräsentant seines Landes, der weder eine Parteischule besucht, noch besondere ideologische Schulungen durchlaufen habe, sondern aufgrund „persönlicher Empfehlungen“ durch Einzelpersonen befördert wurde. Was zählt, sind persönliche Kontakte und keine institutionellen Strukturen- ein roter Faden, der sich bis heute feststellen lässt.  Putin  stehe im Zentrum und verteile Aufgaben und Ämter, um Kontrolle und Sicherheit zu erhalten. Sein System stütze sich auf die Loyalität einer überschaubaren Gruppe von Vertrauten, wobei die „Siloviki“, die Mächtigen, Innen- und Verteidigungsminister eine besondere Rolle spielten (Verteidigungsminister Schoigu stehe ihm sehr nahe und sei als potentieller Nachfolger im Gespräch).

 

Modernisierungspolitik „auf null“ gestellt

Die nach den Duma Parlamentswahlen Ende 2011 und im Frühjahr 2012einsetzenden Demonstrationen in Russland,  neben gleichzeitigen Protesten in Georgien, Ukraine, Belarus, dem arabischen Frühling in Tunesien, Ägypten und später auch in Syrien, hätten bei Putin die „Horrorvision“ erzeugt, „dass diese Protestbewegung auch in Russland Fuß fassen könnte.“ Gesteigert wurde dies später erneut durch die Kiew- Maijdan Unruhen. Ab Frühjahr 2012, dem Beginn der dritten Amtszeit von Putin,  sei  es dann zu einer Kette weitreichender Änderungen und Maßnahmen in der russischen Politik, zunächst der Innenpolitik, gekommen.

Dies umfasst eine weitere Kontrolle und Zentralisierung der Verwaltung. Neben der seit dem Jahr 2000 eingeführten Ernennung der Generalgouverneure in den 10 Verwaltungsgroßräumen durch den Staatspräsidenten, werden seit 2012 oder 2013 auch die Gouverneure der 84 oder 85 Verwaltungsuntereinheiten durch Putin ernannt; zu den Maßnahmen gehört auch das gegen diverse NGO‘s gerichtete „Agentengesetz“, wonach russische NGOs die vom Ausland Finanzierung erhalten, sich beim Justizministerium als „Agenten“ registrieren lassen müssen (Berghorn betonte dabei, dass „Agent“ im russischen Sprachgebrauch nicht gleich zu setzen sei mit der enger gefassten Bedeutung im Deutschen.) Im Zuge dieser Aktion werden 2012 diverse Stiftungen US AID, UNESCO, Fond Eurasia und die Carnegie Stiftung geschlossen; dazu gehöre auch ein Gesetz  (August 2012) gegen die Pressefreiheit; aufgrund einer Gesetzesvorlage des Inlands FSB können ab Oktober 2012 Kontakte mit Ausländern/ausländischen Organisationen als Spionage und Landesverrat, als Gefahr für die Sicherheit Russlands ausgelegt werden. Das Agentengesetz und das „Kontaktgesetz“ hätten  nicht nur zur Schließung mehrerer ausländischer NGO’s oder Organisationen geführt-z.B. dem British Council, sondern  einen ‚elektromagnetischen Ring‘ um politische Stiftungen wie das Goethe Institut, Bosch- Stiftung gelegt und ihre Arbeit empfindlich beeinträchtigt, mit Ausnahme der Wissenschaftsorganisationen wie DFG, Helmholtz, auch DAAD und DHI( Deutsches Historisches Institut).

 

Russland braucht dringend eine Modernisierung in Ausbildung, Produktion, Wirtschaft, Management und Technologie

Die unter Präsident Medwedew eingeleitete Modernisierungs- und Innovationspolitik sei unter Putin „auf null“ gestellt worden, mit Auswirkungen auf die „Kreativität“. „Abstrakt ist es allen klar: Russland braucht dringend eine Modernisierung in Ausbildung, Produktion, Wirtschaft, Management und Technologie, vor allem im Bildungsbereich. Ohne eine neue, berufsorientierte Ausbildung ist der wirtschaftlich- technische Neustart nicht zu leisten. Die Ausbildung als solche ist nicht schlecht, sie folgt aber wegen der fehlenden inhaltlichen Reformen immer noch den alten Zielen der früheren Planwirtschaft“, merkte Berghorn an. Durch seine einschüchternde Gesetzgebung, den Kampf gegen die Zivilgesellschaft und eine fehlende „entschiedene Korruptionsbekämpfung“ habe Putin dem Land die „Möglichkeit geraubt, Kreativität zu entfalten“, so das Fazit. Zugleich habe mit Beginn der „neuen Ära“ eine „massive Revitalisierung  patriotischen  Gedankenguts“ begonnen, welche von Putin instrumentalisiert werde.

 

Zwiespalt der russischen Wirtschafts- und Außenpolitik

Bei einer  Gesamtbevölkerung von 144,5 Mio. (einschließlich Flüchtlinge) bzw. 147,5 Mio. mit der Krim und einem Durchschnittseinkommen von etwa 25.000- 30.000 Rubel, i.e. einen Durchschnittgehalt von 495 Euro, sieht Berghorn eines der großen Dilemmata darin, dass
„wirtschaftspolitisch Putin und die Verantwortlichen keine Konzepte entwickelt (haben), die Wirtschaft zu erneuern und weiter zu entwickeln.“ Es gebe keine langfristigen Maßnahmen, allenfalls kurzfristige und auf raschen Profit orientierte und es sehe so aus, als ob man die Wirtschaft sich selbst überlasse und  sich nur auf politische Aktivitäten verlagert hat. Einzig der frühere Finanzminister Kudrin mahne unablässig Reformen an.

Während die Haupteinnahmequelle des russischen Haushalts die Einnahmen aus Öl, Gas und Kohle (75% der Staatseinnahmen) waren, habe der Staat 2016 150Mrd Euro Einnahmen aus Öl, Gas und Kohle und nur 82Mrd aus dem Bereich Maschinenbau, Chemie, Metallerzeugung und Landwirtschaft eingenommen. Außerdem fehle es an Investitionen; im Vergleich dazu  hätten Industrieländer 30% ihres BIP an Investitionen, in Russland betrage dies nur 10%(!), bei einem Wirtschaftswachstum bei 0,2 bzw. 0,6% je nach Bezugsjahr. Das gehe einher mit veralteten Industrieanlagen und Fördertechnik, unrentablen Heizkraftwerken und einer zu teuren Produktion von Strom aus Gas. Während nur noch ein Fünftel des russischen Außenhandels mit Deutschland abgewickelt werde und besonders die US Sanktionen (Verbot des Export neuer Bohrtechnologien) fatale Auswirkungen hätten bei der Erschließung neuer Öl- und Gasfelder, sei Russland aufgrund der Sanktionen (EU) zu mehr Protektionismus übergegangen – vor allem im Bereich der Landwirtschaft.

 

drohende Einkreisung durch EU und NATO

Hinsichtlich einiger Aspekte russischer Außenpolitik, wies der Referent darauf hin, dass die Russische Föderation von 1992 bis 2014 außenpolitisch kaum „aus dem Raum der alten UdSSR getreten“ (Kosovo, Georgien, Transnistrien,  Georgien, Südossetien) getreten sei.  Erst mit der Eskalation in der Ukraine habe Russland, herausgefordert durch die -aus russischer Sicht- „drohende Einkreisung durch EU und NATO“, seine außenpolitischen Aktivitäten ausgeweitet. Während die strategische Partnerschaft mit Deutschland in dieser Zeit aufgelöst wurde, begann Putin neue strategische Partnerschaften mit der Türkei und China zu schließen, neben seiner vermittelnden Tätigkeit für eine Aufhebung des Embargos  gegen den Iran und der 2015 einsetzenden militärischen Intervention in Syrien, um einen Sturz der Assad Regierung zu verhindern. Ein „schlüssiges Konzept zur Außenpolitik“ sei jedoch bei Putin nicht erkennbar. Entscheidendes Motiv seines Handelns sei es, Russland wieder „Respekt und Weltgeltung“ zu verschaffen.

 

Fehlen einer Staatsphilosophie - Rückgriff auf „alte Rezepte“?

Zugleich wies Berghorn auf ein tieferliegendes Problem der russischen Entwicklungen hin und merkte an, dass es viel wesentlicher sei, dass „wir im Westen“ die Entwicklungen, Probleme und Befindlichkeiten wahrnehmen, welche in der „Tiefe des Raumes Russland“ liegen. Dazu gehört aktuell das Unvermögen, die „ Korruption ist nicht in den Griff zu kriegen“; eine zunehmende „Entvölkerung“  im Hohen Norden und Fernen Osten (Sibirien). Trotz großzügiger Fördermaßnahmen wanderten die Menschen ab, während der  Einfluss Chinas und der chinesische Bevölkerungsanteil  wachse; die Kosten für den Erhalt der Infrastruktur (Transport, Versorgung, Bildung, Gesundheit) seien hoch. Zugleich gebe es eine hohe Migrationsrate aus Zentralasien, ‚Gastarbeiter‘ aus Südkaukasien, Moldau, bis vor kurzem auch aus der Ukraine. Dazu kämen die Kosten für die Integration der Krim (pro Jahr 3-4 Milliarden Euro), des Donbass und die Integration der Flüchtlinge aus der Ostukraine, sowie das  Austarieren der unterschiedlichen größeren Ethnien, ca.20 Mio. Nichtrussen im Lande (die russische Führung sei sich bewusst über die Herausforderung einer Islamisierung des Kaukasus, aber vorsichtig im Umgang damit), sowie die Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems in den abgelegenen Regionen.

 

Das „System Putin“  mit seiner „vertikalen Demokratie“ und den zentral konzipierten Maßnahmen, sei nicht in der Lage, diese Fragen zu lösen

Zusätzlich schaffe die zunehmende Urbanisierung bei gleichzeitig wachsenden „leeren Räumen“ große Spannungen. Östlich des 60.Längengrades (Sibirien) sprach Berghorn von einem „horror vacui“, in dem nur noch 30 Millionen Menschen leben. Allein im sog. Fernen Osten, dem größten Generalgouvernement der Russischen Föderation, leben nur noch 6 Mio Menschen. Insgesamt schrumpfe die Wirtschaftskraft der Bevölkerung, bei einer sozial immer instabiler werdenden Lage. Das „System Putin“  mit seiner „vertikalen Demokratie“ und den zentral konzipierten Maßnahmen, sei – so die Einschätzung Berghorns-  nicht in der Lage, diese Fragen zu lösen. Es fehle an „Unternehmertum“ und „Privatinitiativen“.  Putin möchte Russland erneut Weltgeltung verschaffen, es gebe jedoch keine „wissenschaftlich basierte Staatsphilosophie“ oder „Ideologie“ für das gegenwärtige Russland,  keine „Partei“ als Trägerin einer Idee und die Wirtschaftskraft sei  zu schwach für ein global wirkungsvolles Auftreten.

In Reaktion auf diese Entwicklungen und auf dem Weg zu einem „starken  Russland“ würden aktuell Erscheinungen sichtbar, die durchaus an die UdSSR erinnerten: Zentralismus, Kontrolle, Bewahrung des Status quo und Stärkung der Machtinstrumente wie Armee, Dienste und Verwaltung, bei gleichzeitiger Schwächung der Zivilgesellschaft, der Medien und dem Fehlen einer funktionierenden Gewaltenteilung. Putins Selbstinszenierung, seine Residenzen und die der staatstragenden Führungsschicht hätten nichts mehr mit der sowjetischen Schlichtheit gemeinsam.  „Er ist der Selbstherrscher, der alleinige Schlussentscheider. Es gibt noch Beratungen mit vertrauten Einzelpersonen, nicht mehr mit Institutionen.“

Zugleich finde eine Anknüpfung an  Konzepte aus dem vorrevolutionären Russland statt. So vergleiche sich Putin  gerne mit dem zaristischen Ministerpräsidenten P.A. Stolypin (1862-1911), „dessen Landreform zwar gescheitert war, der aber die Sicherheitspolitik Russlands klar erkannte und entsprechend gehandelt hatte.“ Des Weiteren dulde der Staat die Einmischung der Kirche in das künstlerische und tägliche Leben, während die Diskussion über die Frage, ob sich Russland  westlichen Strömungen anschließen oder seinen eigenen Werten folgen solle (Westler / Zapadniki und Slawo-oder Russophilen) erneut wiederaufgelebt sei.

 

Verpasste strategische Partnerschaft mit Deutschland

Als ein  „in sich  widersprüchliches, inkonsequentes Land“ sei das Erscheinungsbild Russlands wenig stringent. Putin sei als Reparateur der Chaos-Zeit Jelzins angetreten und erfolgreich gewesen. Er habe aber „kein kohärentes, strategisches Konzept“ entwickelt. Die Frage stelle sich auch bezüglich der verpassten strategischen Partnerschaft mit Deutschland (die, wenn diese nicht auseinandergebrochen wäre, möglicherweise die Eskalation um die Krim hätte verhindern könne.)

Während die Modernisierung der Wirtschaft, Technologie, Industrie, Energiewesen oder Ausbildung gesehen und gefordert werden, hätten wir es mit starren Strukturen zu tun. Eigeninitiativen würden erschwert, Schlüsselpositionen würden nicht „mit kreativen, kritisch denkenden Köpfen“ besetzt, sondern mit Personen, die an einer Änderung des Status Quo nicht interessiert sind.“ Putin fordere zwar die Internationalisierung in Wirtschaft und v.a. in Hochschule und Wissenschaft, gleichzeitig sorge die Gesetzgebung (Agentengesetz, Kontaktgesetz) für Verunsicherung. Für ein wirklich starkes Russland fehlen laut Berghorn die wirtschaftlichen Grundlagen: Ideologie, Überzeugungs- und Umsetzungskraft, starke, global wirkende Streitkräfte, aber auch herausragende Einzelpersönlichkeiten.

Putins Politik nach 2012 sieht er daher eher von  „Aktionismus“ geprägt, wechselnden strategischen Partnerschaften, wobei die chinesische Partnerschaft Russland wirtschaftlich aufrollt; sprunghaften außenpolitischen Aktivitäten in Iran, Ägypten, Libyen, Venezuela, Syrien, aber ohne nachhaltige Kohärenz; nur kurzer Militäreinsatz in Syrien, aber kein Frieden; Gebietserweiterungen mit hohem Reputationsschaden und wirtschaftlichen Sanktionen als Folgen. Es handele sich um taktisch- kurzfristige und eher defensive Maßnahmen ohne langanhaltende, „positive Ausstrahlung“, etwa vergleichbar mit Gorbatschows Perestroika.

 

notwendig, mit Russland im Gespräch zu bleiben

Auf dem Hintergrund der hier skizzierten Entwicklungen, wie der Vorsitzende des Bonner MAC und ehemalige Staatssekretär Friedhelm Ost am Schluss der Veranstaltung anmerkte,  sei es notwendig, mit Russland im Gespräch zu bleiben. Er verwies auf die ausgezeichnete Rede Präsident Putins im Jahre 2001 vor dem Bundestag,  welche von Aufbruchsstimmung und dem Wunsch nach Reformen gekennzeichnet war. Trotz aller Schwierigkeiten, so Ost, spiele Russland eine Rolle in der Weltpolitik und wie das Beispiel Syrien zeige, seien viele der strategischen Probleme nicht ohne Russland zu lösen.

 

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