Zu den großen Europaskeptikern gehört Großbritannien. Vor einem Jahr kündigte der englische Premierminister David Cameron in einer viel beachteten Rede an, dass im Jahre 2017 die Bürger des Landes in einem Referendum über den Verbleib Englands in der EU entscheiden sollen. Die interne Debatte in England und die von David Cameron vorgetragenen Argumente für eine Kurskorrektur sind in den letzten Wochen auch Gegenstand vieler Artikel und Kommentare, insbesondere in der deutschen Presse gewesen.
Die neue große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) hat die Europafrage zur Chefsache erklärt.
Die Zukunft Europas aus britischer Sicht
Ende Oktober wurde vom „Mid -Atlantic Club“ (MAC-einer privaten Vereinigung ehemaliger Militärs, Diplomaten und Industrievertretern, mit Dependancen in den USA, Großbritannien und Deutschland, die um gute „atlantische Beziehungen“ bemüht sind) und der Stadt Bonn ein Essen im Bonner Rathaus organisiert. Als Redner waren der britische Botschafter Simon McDonald und eine Delegation des britischen MAC eingeladen. In seiner Einführungsrede betonte der MAC- Vorsitzende und ehemalige Staatssekretär Friedhelm Ost- auf das von Cameron anberaumte Referendum Bezug nehmend- laut Umfragen sähen derzeit 65 % der Briten in der EU- Mitgliedschaft einen Nachteil und nur 36% einen Vorteil: „Wir Deutschen, allen voran unsere Kanzlerin, wollen Großbritannien in unserer Europäischen Union halten. Denn für uns ist Großbritannien ein unverzichtbarer Partner.“
In seiner Rede „Die Zukunft Europas aus britischer Sicht“ hob der britische Botschafter hervor, dass es bei der Frage, welche Rolle Großbritannien auch in Zukunft in der Europäischen Union spielen wolle, grundsätzlich um die „zukünftige Marschroute der europäischen Integration“ gehe und die Frage, inwieweit Deutschland und England in dieser Debatte gemeinsame Ziele verfolgen. „Die Union ist für uns kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Wir sehen sie als Instrument zur Förderung von Wohlstand und Stabilität, als Anker der Freiheit und Demokratie nicht nur in Europa“, führte McDonald aus. Zugleich wies er auf die globalen Herausforderungen hin, mit denen Europa konfrontiert ist:
- zum einen die „Probleme in der Eurozone“, auf die es ,,flexibel zu antworten“ gelte, damit unsere Institutionen und Verfahren wirklich den Interessen der Mitgliedstaaten dienen.“
- Europa stecke in einer Krise der Wettbewerbsfähigkeit, „während andere Staaten auf der ganzen Welt vorpreschen.“ Deshalb müsse der Binnenmarkt vertieft und erweitert werden, „und deshalb müssen wir uns auch im Außenhandel stärker engagieren.“
- Die Kluft zwischen EU und ihren Bürgern sei in den letzten Jahren dramatisch gewachsen. „Der Mangel an demokratischer Legitimation und Akzeptanz wird in Großbritannien besonders akut empfunden, aber nicht nur bei uns.“ Während die EU nur 7% Anteil an der Weltbevölkerung habe, erbringe sie 25 % der globalen Wirtschaftsleistung und müsse für 50% der globalen Sozialleistungen aufkommen.
Großbritannien habe keine Pläne, so McDonald, dem Euro beizutreten. Entscheidend aus britischer Sicht sei die Entwicklung des „europäischen Binnenmarktes“. Im Hinblick auf die EU Institutionen forderte der Botschafter mehr „Flexibilität“. „Wir sollten uns klarer zu den Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit bekennen und auch zur variablen Geometrie, die wir schon jetzt haben, um die richtigen Lösungen für das Spannungsfeld zwischen Eurozone und Binnenmarkt zu finden.“
Es gehe heute nicht mehr darum, Frieden in Europa zu schaffen, sondern darum, wie wir im globalen Wettbewerb unseren Wohlstand sichern können
Die entscheidende Frage sei, wie Europa in 20, 30 oder 50 Jahren aufgestellt sein sollte. Es gehe heute nicht mehr darum, Frieden in Europa zu schaffen, sondern darum, wie wir im globalen Wettbewerb unseren Wohlstand sichern können. „ Die EU wird ihre globale Position als Wertegemeinschaft jedoch nur erhalten können, wenn sie auf die neuen Herausforderungen und die Erwartungen der jüngeren Generation eingeht. Hier haben unsere beiden Länder ein starkes gemeinsames Interesse."